Thursday, August 30, 2012

Realität

... zu erkennen und zu akzeptieren gehört zu den wichtigsten Dingen in der Musik wie auch im sonstigen Leben.
Vorab einige unstrittige Tatsachen:
- die klassische Musik (und damit auch die Neue Musik) gehört zur westlichen Kultur
- klassische Musik ist weltweit verbreitet
- je reicher ein Land desto mehr klassische Musik leistet es sich, sei es durch staatlich Förderung oder durch privates Sponsoring. Ein Orchester oder ein Opernhaus kann und konnte sich noch nie selbst tragen

Was bedeutet das jetzt z.B. für nicht-europäische Musiker die sich in der klassischen Musikwelt bewegen? Fangen wir mal an mit den Komponisten. Hat sich schon mal jemand gefragt, warum es immerhin einen Tan Dun gibt, aber keinen weiteren chinesischen Komponisten seines Rangs? Oder nehmen wir Hosokawa, der auch alleine das japanische Aushängeschild darstellt (allerdings erst nachdem Takemitsu gestorben war). Für Korea stand Isang Yun und seit einigen Jahren, ebenfalls nach dem Tod von Yun, Unsuk Chin.
An "außereuropäischen" oder besser "außerwestlichen" Komponisten von Rang war es das schon fast. Die wirtschaftliche Bedeutung von China, Japan und nun auch Korea spielt dabei sicher eine Rolle.
Nun scheint es fast so, als dass die westliche Welt sozusagen als Tribut für die weltweite Verbreitung ihrer Musik einigen Ländern einen (und nur einen!) Platz pro Land gewährt. Für alle anderen Komponisten aus China, Japan und Korea bedeutet das: Ende der Illusionen, die vorderen Plätze sind belegt. Man muss sich bestenfalls mit einem Mittelplatz zufrieden geben.

Bei Dirigenten ist das genauso: ein Seiji Osawa, ein Myung-Hyun Chung und neuerdings Gustavo Dudamel. Überhaupt kann man in der klassischen Musik nur als Dirigent (keine Frauen vorhanden), Sänger/in, Violinist/in Pianist/in oder vielleicht noch Cellist/in ein Weltstar werden. Alle anderen Instrumente taugen nicht für einen Weltstar. Das bedeutet wiederum noch schlechtere Karten für alle "aussereuropäischen" Instrumentalisten und Sänger. Niemals können sie den Olymp der klassischen Welt erklimmen, der ist längst und für alle Zeiten (zumindest solange die westliche Kultur die vorherrschende bleibt) belegt.
Sie müssen ihren Weg woanders suchen und das ist auch gut so. Denn um in der klassischen Musik aufzublühen, muss man sich auch dementsprechend assimilieren. Das wäre nun des Guten zuviel! Irgendwann muss auch mal Schluss sein. Lieber die Realität akzeptieren und man selbst bleiben.


Stiftung Warentest der Musik

Gütesiegel in der Musik wären Preise, Aufführungen von renommierten Orchestern, Ensembles und Solisten an berühmten Orten und Festivals. Hat man eines dieser Gütesiegel erhalten, so - oh Wunder - öffnen sich Türen, von den man gar nicht gewusst hat, dass es sie überhaupt gibt. Man ist in Champions League der Musik! Das hat viele Vorteile: andere Festivals, Orchester, Ensembles und renommierte Solisten spielen plötzlich ungeprüft deine Werke und je länger diese Liste wird desto selbstverständlicher wird das alles - ein sogenannter Selbstläufer. Für drei bis vier, vielleicht fünf Jahre segelt man voll im Wind und im Himmel des Musikbetriebs! (danach allerdings verpufft das zumeist als wäre nie etwas gewesen)

Der Schönheitsfehler des Ganzen ist aber: wie kommt man zu einem Gütesiegel?
Dadurch,
dass man gute Musik schreibt? - äusserst unwahrscheinlich bis ausgeschlossen
dass die Musik beim normalen Publikum gut ankommt? - äusserst unwahrscheinlich
dass die eigene Musik von den Interpreten gemocht wird? - unwahrscheinlich
dass ein wichtiger Mensch im Publikum sitzt und deine Musik gut findet? - wahrscheinlich
dass man viele wichtige Menschen gut kennt? - wahrscheinlicher
dass man ein Protegé  eines berühmten Lehrers ist? - noch wahrscheinlicher
dass man die beiden letzten Bedingungen erfüllt und darüberhinaus prächtig über seine Musik reden kann? - fast sicher

Damit wäre dann eigentlich alles gesagt.



Monday, August 27, 2012

Idiome

Die Vermeidung von charakteristischen Klängen eines Instruments, die zu einer bestimmten Musik zugehörig scheinen, ist heute fast ein ungeschriebenes Gesetz bei den Komponisten mitteleuropäischer Prägung. Es herrscht geradezu eine panische Angst, sich auf "idiomatisches" Spiel von Instrumenten einzulassen, da man sonst gleich als "musikantisch" abgewertet oder - bei z.B bei asiatischen Instrumenten - sogar der national gefärbten Musik verdächtigt wird. Bei der gleichzeitigen Abwesenheit von musikalisch charakteristischen  Merkmalen wie Motiven, Melodien oder Rhythmen, die ja schon längst dem Vermeidungswunsch zum Opfer gefallen sind, wundert es nicht, dass eine gewisse Grautendenz in der Neuen Musik zu verzeichnen ist.
Es hat aber kaum einer bemerkt: die angeblich idiomfreie, nicht national- oder regionalbezogene Neue Musik ist die idiomatischste Musik überhaupt geworden, das was sie vermeiden wollte ist durch Vermeidung so charakteristisch geworden, dass es von einem bestimmten Winkel gehört wird, so stereotyp ähnlich klingt wie keine andere Musik der Welt. Eine fatale Entwicklung, die ausweglos erscheint. Die Geräuschtechnik der Neuen Musik wie das Kratzen, Schaben, Reiben, Klopfen etc. klingt auf Instrumenten jedweder Kultur nun mal ähnlich, ebenso hat das überschreiten einer gewissen Komplexität hat einen Gesamt-Klangeindruck zur Folge, der von der überwiegenden Mehrheit der Menschen als ähnlich empfunden wird.

Das bewusste idiomatische Spielen von Instrumenten scheint mir ein Ausweg zu sein, denn das Spielen ist lebendig und macht Spass, im Spiel entdeckt man Neues, das Haptische regt alle anderen Sinne mit an und beim Musik Spielen drückt man im idealen Fall das aus, was man dieser Welt musikalisch zu sagen hat. Wendet euch den Instrumenten zu und nicht ab. Sie werden es euch danken.